Interview mit Mats Öhman

Mats Öhman ist ein schwedischer Rallycross-Fahrer. Seit einer Rückenmarksverletzung, die er sich 1998 bei einem Schneemobilunfall zuzog, ist er von der Hüfte abwärts gelähmt. Er war ein erfolgreicher Snowcross-Fahrer und 7-facher schwedischer Meister, 2-maliger nordischer Meisters und Europameister. Er fuhr ebenfalls 10 Jahre lang aktiv Motocrossrennen.

Trotz seiner Verletzung begann er drei Jahre nach seinem Unfall mit dem Rennsport und nimmt seitdem an den World Rallycross und European Rallycross Meisterschaften teil, wobei er ein Fahrzeug benutzt, das mit einer Hand- und Armsteuerung ausgestattet ist.

KYB Europe hatte das Vergnügen, Mats Ende der Saison 2020 zu interviewen. In dem Auto, das er fuhr, wurden eine elektronische Servolenkung und Stoßdämpfer von KYB verwendet.

Beschreiben Sie die Ausstattung des Autos, wie funktioniert alles?

Meine Beweglichkeit wird immer schlechter, ich würde schätzen, dass ich derzeit etwa noch 10 % Beweglichkeit habe. Ich bin von der Achseln abwärts komplett gelähmt, in den Armen habe ich noch ein wenig Gefühl und Beweglichkeit, aber in den Fingern nicht mehr. Also steuere ich alles mit dem Oberkörper und ich habe überhaupt keine Pedale. Ich starte mit einem Knopf in meinem Mund. Anstelle eines Lenkrads habe ich einen Lenkradknopf an einem Hebel, den ich mit meinem linken Arm steuere. Den Rest steuere ich mit meinem rechten Arm. Der Gashebel ist hinten und die Bremse ist vorne. Die Gänge schalte ich mit dem Ellenbogen, nach oben schalte ich hoch und nach unten schalte ich runter. Wenn ich seitwärts wippe, bediene ich die Kupplung und in die andere Richtung die Feststellbremse.

Wir haben den Rahmen so überarbeitet, dass ich selbst ein- und aussteigen kann. Da mir die Beweglichkeit im Körper fehlt, ist auch der Fahrersitz neu konstruiert. Er hat Teile an der Seite, die mich festhalten und ihn fester machen. Dann müssen die Jungs den Gurt richtig fest anziehen, damit ich stabil sitze – ich habe nach den Rennen leider immer wunde Schlüsselbeinknochen.

Gab es in den letzten Jahren irgendwelche neuen technologischen Fortschritte, die das Auto für dich und deine Bedürfnisse/Wünsche wirklich verbessert haben?

Ich habe 2001 mit dem Rallycross begonnen und mittlerweile gibt es wirklich so viele tolle Sachen im Vergleich zu damals. Das Schaltsystem, die Kupplung und wie ich alles kontrolliere – das kann man gar nicht vergleichen. Ich bin ein Optimist, also können wir einfach die Ventileeinstellungen verfeinern, weiter mit dem Startsystem arbeiten und das Auto dahin bringen, wo ich es haben will und wir werden es wirklich gut machen! Das Alter arbeitet leider ein wenig gegen mich, aber das kann ich verkraften. Gleichzeitig schreitet die Entwicklung zügig voran.

Der neue Audi S1: Wie viel Arbeit war es, ihn für Sie anzupassen? Wie lange hat es gedauert? Was war die größte Herausforderung bei diesem Prozess?

Seit 2001 habe ich viele Autos gebaut und so viel Zeit wie möglich darauf verwendet – ich habe fast alles ausprobiert. Ich habe also seit vielen Jahren ein fertiges Konzept und ein System, dass für mich funktioniert. Aber dann gibt es immer noch einige Konstruktionen und kleine Korrekturen. Für mich ist es unheimlich wichtig, dass alle Hebel und Halterungen genau an der richtigen Stelle sind – sonst komme ich nicht ran und dann kann ich natürlich nicht fahren. Es ist also unheimlich wichtig, dass wir für alles die richtige Position finden. Deshalb hat es etwa 2,5 Monate gedauert, bis alles im Audi an seinem Platz war. Jetzt bin ich fast komplett zufrieden.

Die anderen Fahrer können in Kurven die Handbremse ziehen, während ich, der dieses Manöver nicht machen kann, die Kurven perfekt nehmen muss. Ich fahre also mit meinem Differential ganz anders als alle anderen. Am Anfang hatte ich ein kleines Problem, aber dann haben wir eine Änderung am Differential vorgenommen und es auf nassen Untergrund angepasst – auf trockener Strecke hat es bei mir immer gut funktioniert.

Wie läuft es mit dem Problem am Start? Es sah im Laufe der Saison immer besser aus.

Das größte Problem, dass wir haben sind die Starts. Wir haben ein fortschrittliches Kontrollsystem für den Start. Zu Beginn der Saison hatten wir eine Verzögerung in der Elektronik. Ich starte mit dem Mund und es gab eine kleine Verzögerung bevor das Auto losfuhr, also dachte ich zuerst „Bin ich so alt und langsam geworden?“. Aber wir haben das optimiert und die Starts haben sich verbessert, auch wenn wir noch nicht ganz so weit sind. Die Starts sind im Rallycross unglaublich wichtig, deshalb werden wir das Startsystem für das nächste Jahr noch weiter umbauen und alles tun was nötig ist, um das Optimum zu erreichen.

Du wurdest als „der beste Testkollege, den man haben kann“ beschrieben, mit einem einzigartigen Setup, das ein „unglaubliches Gefühl für das Auto“ vermittelt. Was sind Ihre ersten Gedanken als Experte über die elektronische Servolenkung von KYB in Ihrem Audi S1?

Da ich keinen funktionierenden Trizeps habe, steuere ich mit meiner Schulter und meinem Oberarm, mein Unterarm macht das meiste. Also muss es einfach sein, deshalb habe ich eine doppelte Servolenkung. Zum Teil KYB’s EPS, aber auch eine Servolenkung am Lenkgetriebe. Der Vorteil ist, dass ich die EPS von KYB genauer einstellen kann, sowohl leichter als auch schwerer. Wenn ich vorher eine zu leichte EPS hatte, war es manchmal fast so, als würde ich wackeln weil es so empfindlich war, aber jetzt gegen Ende der Saison konnten wir es so einstellen, dass es besser wurde. Die Möglichkeit, es genauer einzustellen, ist sehr gut.

Dieselbe Frage, aber in Bezug auf die KYB-Dämpfer?

Es war eine völlig andere Welt, als ich die Dämpfer von KYB zum ersten Mal getestet habe. Ein völlig anderes Gefühl zu landen, sie zogen einfach am Auto und nach dem Sprung dachte ich sogar „bin ich wirklich gelandet?“. Absolut unglaublich im Vergleich zu vorher. Mein Körper kann den Aufprall nicht so gut verkraften, weil ich nicht die Fähigkeit habe Gegendruck auszuüben, also lande ich mit diesen nun viel samfter. Das war ein sehr gutes Upgrade für das Fahrzeug.

Geben Sie uns einen Einblick, wie wichtig es ist, die Dämpfer richtig einzustellen, um eine erfolgreiche Rallycross-Saison zu fahren.

Wow, wow, wow – Dämpfer sind unglaublich wichtig! Ohne sie spielt es keine Rolle was für einen Motor man im Auto hat. Dämpfer sind eine richtige Wissenschaft. Als ich noch Snowcross gefahren bin, haben wir uns sehr auf die Dämpfer konzentriert. Ich würde also sagen, dass ich eine Menge Wissen auf diesem Gebiet habe, aber man lernt nie aus. Das ist cool, denn es gibt immer die Möglichkeit sich weiterzuentwickeln. Zu wissen, wie man sich auf den Untergrund und das Wetter einstellt, solche Dinge sind sowohl faszinierend als auch unheimlich wichtig. Ich habe ein sehr gutes Gefühl mit diesen Dämpfern und denke, dass sie mir helfen, das Auto dorthin zu bringen, wo ich es haben will. Ich bin dankbar, dass ich die KYB-Teile verwenden kann. Für mich war es eine deutliche Verbesserung, mit deren Material fahren zu können.

Was würden Sie sagen, war das größte Highlight Ihrer Karriere?

Ich fahre seit 1977 Snowcross und seit 2001 Rallycross, also habe ich schon einige Jahre an Erfahrung. Beim Snowmobilfahren sind die Highlights der Gewinn der Europameisterschaft, der Nordischen Meisterschaft und der Schwedischen Meisterschaft. Im Rallycross habe ich mehrere Erfolge in der Schwedischen Meisterschaft im Supercar und Supernational. Außerdem habe ich den Streckenrekord in Strängnäs aus dem Jahr 2010, der heute noch steht – das macht richtig Spaß.

Ich habe auch den “Sportspegelpriset” bei der schwedischen Sportgala 2011 erhalten (das ist eine große Auszeichnung bei Schwedens größter Sportgala). Eigentlich sollte ich in der Kategorie Sportler des Jahres mit einem Händicap nominiert werden, aber ich durfte nicht, weil ich gegen Menschen ohne Behinderung antrete.

Haben Sie irgendwelche Pläne für 2021?

Wir wissen nicht, ob es weitere Rennen wegen Covid geben wird, aber was ich weiß ist, dass wir das Auto weiter entwickeln werden, damit es perfekt ist. Wir werden versuchen, es einen Schritt weiter zu bringen als letztes Jahr, dann wird es sehr gut sein. Das größte Ziel für 2021 ist, das Auto für die Starts richtig hinzubekommen – dann kann alles passieren. Ich bin ein Realist und werde bei der Europameisterschaft nicht der Schnellste sein. Aber diese Autos sind wirklich gut, also sollte ich in der Lage sein, in einige Finalläufe zu kommen.

Welchen Rat würden Sie anderen Menschen geben, die lebensverändernde Verletzungen erlitten haben?

In meinem Fall gab es für mich zwei Möglichkeiten: Entweder aufgeben oder aus dem Leben, wie es jetzt aussieht, das Beste machen. Ich habe mich für Letzteres entschieden. Natürlich ist es nicht einfach, wenn man frisch verletzt ist. Ich war körperlich sehr gehandicapt und sah mich anfangs in der Langzeitpflege liegen. Ich konnte nicht einmal meine Nase anfassen, konnte mich nicht selbst anziehen – was sollte ich im Leben tun? Aber es ist wichtig, nicht aufzugeben. Das Morgen kommt, egal wie verletzt man ist und wie dunkel es sich anfühlt. Es gibt immer ein morgen. Nichts geht so schnell wie ein Fingerschnippen, aber es wird ein ganz neues Leben und es braucht Zeit, sich daran zu gewöhnen. Aber es ist möglich, mit einer Behinderung gut zu leben.

Für mich gibt es keine bessere Rehabilitation als Rallycross. In diesem Auto fühle ich mich völlig gesund, als ob alles in meinem Körper funktioniert. Es ist ein magisches Gefühl, wenn man so lange verletzt war wie ich. Wenn ich da im Auto sitze, an der Startlinie in Höljes zum Beispiel, und sehe, wie 50.000 Menschen im Publikum jubeln. Dann wird mir klar, was für ein Ding ich da erlebe, dass ich das machen kann. Nur wenige sind so gesegnet.

Leider gibt es im Motorsport nur wenige, die eine Behinderung haben, und wir brauchen mehr. Ich musste immer meinen eigenen Weg gehen und hatte nie jemanden, der auf dem gleichen Platz saß, den ich fragen und mit dem ich diskutieren konnte. Es wäre schön, wenn mehr Leute damit anfangen würden, damit man Erfahrungen austauschen kann. Ich baue schon seit vielen Jahren Autos um und würde gerne helfen, wenn mich jemand um Tipps bittet.

Schnellfragerunde!

Lieblings-RX-Kurs…

Strängnäs und natürlich Höljes.

Schwierigster RX-Kurs…

Tierp (Schweden) ist furchtbar schwierig.

Ihr Lieblingsrennwagen…

Mein Audi S1, natürlich.

Dein Held…

Ich habe keine direkten Vorbilder, aber es gibt viele Fahrer, die unglaublich gut sind. Zum Beispiel Legenden in der MotoGP wie Valentino Rossi oder Stefan Everts im Motocross.

Der schwierigste Konkurrent…

Für mich ist das Auto der härteste Gegenspieler, den ich je hatte.

Hast du irgendwelche Glücksrituale vor dem Rennen?

Nein, habe ich wahrscheinlich nicht. Andererseits achte ich darauf, wie ich die Dinge um mich herum haben möchte, aber nicht, um Glück zu haben, sondern eher, damit es reibungslos abläuft.

Was ist Ihre perfekte Mahlzeit vor dem Rennen?

An Wettkampftagen esse ich ziemlich viel. Es darf nichts Schwerverdauliches sein, also am liebsten Nudeln oder etwas in der Art.

Was tun Sie nach dem Rennen, um sich zu entspannen und aus dem „Rennmodus“ zu kommen?

Es fällt mir immer schwer, nach einem Wettkampf zu schlafen, weil ich alles im Kopf noch einmal durchgehen muss. Das ist ein wichtiger Prozess für mich. Ich analysiere alle Läufe, schaue mir In-Car-Videos an, gehe Daten durch und so weiter. So kann ich erst am nächsten Tag richtig entspannen, und dann bin ich immer völlig erschöpft.