Ein Thema, das häufig zwischen Fahrwerksherstellern und Servicetechnikern diskutiert wird, ist die Frage, ob Stoßdämpfer ausgetauscht werden sollten, wenn keine offensichtlichen Schäden oder Undichtigkeiten vorliegen. Um diese Diskussion einem praxisnahen Test zu unterziehen, hat Matteo Turolla, Technical & Operational Marketing Support Manager bei KYB Italien, eine Werkstatt in Verona in Norditalien besucht.
Jeden Tag begleiten uns unsere Autos auf unseren Wegen, ob kurz oder lang. Wir drehen den Schlüssel um, der Motor springt an, und Kilometer für Kilometer werden wir vertrauter mit ihnen und gewöhnen uns an ihre Eigenschaften. Wir passen unseren Fahrstil ständig und unbewusst an die Eigenschaften an, die sich im Laufe der Zeit verändern und vor allem mit der Beanspruchung bestimmter grundlegender Bauteile einhergehen. Der Austausch einiger dieser Komponenten ist jedoch häufig nicht in den routinemäßigen Wartungsplänen enthalten.
Es ist gut dokumentiert, dass ein Stoßdämpfer aus der Erstausrüstung bereits nach 80.000 km nicht mehr so funktioniert, wie es der Hersteller vorgesehen hat. Bei diesem Kilometerstand sind die empfindlichen Ventile im Inneren etwa 75 Millionen Mal von Hydrauliköl durchströmt worden, was sie schwächer und unelastisch macht. Sie können den Ölfluss nicht mehr so regulieren wie im Neuzustand, wodurch die Dämpfungswirkung des Stoßdämpfers beeinträchtigt wird.
Es ist die Aufgabe der Stoßdämpfer, die Räder im Kontakt mit der Straße zu halten – selbst die leistungsstärksten Reifen können keine kontrollierte Beschleunigung, keine kürzeren Bremswege und keine ausreichende Sicherheit in Kurven garantieren, wenn sie nicht in Verbindung mit perfekt funktionierenden Stoßdämpfern arbeiten.
Die Fahrzeuge
Matteo beobachtete zwei Autofahrer in Verona, Federico und Susanna, zwei Menschen mit völlig unterschiedlichen Anforderungen, die jedoch das gleiche Auto fahren. Susanna arbeitet als Büroangestellte und fährt jeden Tag einen Smart ForTwo 700cc, der knapp 100.000 km gelaufen ist und von dem sie überzeugt ist, dass er noch in perfektem Zustand ist. Federico ist Besitzer einer Werkstatt. Er nutzt seinen Smart ForTwo 700cc, um zur Werkstatt zu pendeln, er hat mehr als 180.000 km gelaufen. Er wusste, dass sich das Auto nicht mehr so verhielt wie im Neuzustand, aber seiner Meinung nach waren die Stoßdämpfer noch in Ordnung, da das Auto einwandfrei fuhr.
Der Test
In einem ersten Schritt fuhren beide Teilnehmer das Auto des anderen, da der Kilometerstand sehr unterschiedlich war. Dann wurden an dem Auto mit der höheren Laufleistung die Stoßdämpfer, Schraubenfedern, Protection-Kits und Domlager-Kits ausgetauscht. Anschließend machten beide eine weitere Testfahrt mit diesem Fahrzeug, um das neue Fahrverhalten eines Autos mit 180.000 km und neuen Stoßdämpfern unmittelbar erleben zu können. Schließlich wurden die Fahrwerkskomponenten am anderen Smart ausgetauscht, gefolgt von einer weiteren Testfahrt durch beide Teilnehmer.
Die Ergebnisse für das Auto mit 180.000 km
Susanna: Als ich Federicos Auto probegefahren bin, habe ich sofort gedacht, dass es nicht mit meinem identisch sein kann. Bei Schlaglöchern und Bodenwellen hatte ich das Gefühl, dass etwas nicht mehr funktioniert. Als ich es mit den neuen Stoßdämpfern erneut testete, stellte ich fest, dass es sich ähnlich wie mein Auto verhielt, aber ich hatte den Eindruck, dass es jetzt präziser und weniger laut war als meins.
Federico: Ich hatte mich inzwischen so sehr an dieses Auto gewöhnt, dass ich gar nicht mehr merkte, wie sehr es an Präzision und Lenkverhalten verloren hatte. Beim Bremsen, vor allem in Kurven, habe ich die mangelnde Stabilität immer mit dem sehr kurzen Radstand in Verbindung gebracht. Da habe ich mich eindeutig geirrt! Jetzt ist es wirklich ein ganz anderes Fahrgefühl. Ich kann mir nur vorstellen, wie viel weniger unberechenbar das Auto bei Nässe sein wird. Ich merke sofort, dass das ESP viel seltener einschaltet und auf Unebenheiten und Kopfsteinpflaster, die es in dieser Gegend auf vielen Straßen gibt, deutlich weniger eingreift.
Die Ergebnisse für das Auto mit 180.000 km
Susanna: Das habe ich wirklich nicht erwartet, das Auto fährt sich großartig! Nicht, dass es vorher schlecht war, aber da ich es jeden Tag gefahren bin, konnte ich nicht objektiv sein. Jetzt kann ich sagen, dass der Unterschied spürbar ist, obwohl die Stoßdämpfer, die wir ersetzt haben, ’nur‘ 97.000 km gelaufen sind.
Federico: Der Unterschied ist offensichtlich. Jetzt scheinen die beiden Autos beim Fahren wirklich identisch zu sein. Präziser, stabiler, kontrollierbarer. Ich hätte nie gedacht, dass es einen so deutlichen Unterschied gibt. Von nun an werde ich meinen Werkstattkunden vorschlagen, die Stoßdämpfer zu ersetzen, wenn sie alt sind, auch wenn sie optisch noch in Ordnung sind. Ich habe Kunden mit Autos, die mehr als 200.000 km gefahren sind und die Stoßdämpfer nie ausgetauscht haben, aber sie sind sich offensichtlich nicht bewusst, wie sehr sich die Fahreigenschaften und die Kontrollierbarkeit ihres Fahrzeugs verschlechtert haben.
Fazit
Die beiden Smart ForTwo-Besitzer, die an unserem Test teilgenommen haben, waren erstaunt über den Unterschied, den der Austausch von Stoßdämpfern, Schraubenfedern, Domlager-Kits und Protection-Kits bei ihren Fahrzeugen bewirkt hatte. Sie sind sehr repräsentativ für den durchschnittlichen Autofahrer, der seinen Fahrstil an die Fahreigenschaften seines Fahrzeugs anpasst, ohne zu merken, dass die Brems- und Lenkpräzision nachgelassen hat.
KYB empfiehlt, dass die Stoßdämpfer nach 80.000 km und immer paarweise ausgetauscht werden sollten.